Gedenkstättenfahrt 2018

Auschwitzfahrt 2018

– Ein Bericht von Silas Meyer und Alexander Kalla

Vom 25. bis zum 30. September fuhren wir, 17 Schüler*innen der Cesar-Klein-Schule Ratekau und des Ostsee-Gymnasiums Timmendorfer Strand, nach Auschwitz.

Vorweg bereiteten wir uns drei Tage während der Projektwoche im Juli in Ratekau auf diese nicht einfache Fahrt vor. Unter anderem bekamen wir eine äußerst interessante Führung in Neustadt zur Cap-Arcona-Katastrophe, bei der über 7.000 Häftlinge aus dem KZ Neuengamme starben. Des Weiteren begaben wir uns auf die Suche nach den in der Innenstadt von Lübeck vorhandenen Stolpersteinen, welche an die ehemaligen dort lebenden Juden erinnern sollen. Die sich hinter diesen Stolpersteinen verborgenen Biografien der Personen schauten wir uns näher an.

Wir waren gut auf die Fahrt nach Auschwitz vorbereitet.

Am 25. September war es dann soweit. Wir begaben uns mit drei erfahrenen Betreuern auf eine zwölfstündige Übernachtfahrt mit dem Bus Richtung Oswiecim, Polen.

Nachdem wir an der internationalen Jugendbegegnungsstätte in Oswiecim ankamen, nahmen wir direkt an einer kurzen Einführung, die uns einen Überblick verschaffen sollte, teil. Anschließend machten wir uns nach einem kurzen Frühstück zum Stammlager Auschwitz auf. Da sich das Stammlager in der Nähe von unserer Unterkunft befand, gingen wir zu Fuß dorthin. Dort wurden wir von einem polnischen Guide durch eines der größten deutschen Vernichtungslager geführt. Es war enorm voll. Oft waren mehrere Gruppen von Touristen gemeinsam in einem Raum. Über Headsets wurde das Zuhören erleichtert. Dennoch erschwerten diese Umstände und das gute Wetter diesen grausamen Ort richtig auf sich wirken zu lassen. Alles wirkte so unfassbar.

Der Guide konnte uns viel Wissen vermitteln, am meisten in Erinnerung blieben jedoch die Überreste der dort vernichteten Insassen, wie z.B. zwei Tonnen Haare und extreme Mengen an Schuhen und Wertsachen. Und dies waren nur die nach der Befreiung aufgefundenen Rückstände.

Geringer Anteil der nach der Befreiung aufgefundenen Schuhe der Häftlinge

Darüber hinaus war es erschreckend zu sehen, in was für einem schlechten Zustand die Häftlinge bereits bei der Ankunft im Stammlager waren.

Neue Blickwinkel auf die damaligen Geschehnisse öffnete ein neues im Stammlager errichtetes Museum. Dort bekamen wir nämlich Aufnahmen von den im Stammlager vernichteten Familien aus Vorkriegszeiten zu sehen – wir sahen Fotos von ganz normalem Familienleben – und im Anschluss schauten wir uns dann eine Rede von Hitler an, in welcher er das „Deutsche Volk“ gegen die Juden aufhetzte.

Zum Schluss besichtigten wir dann noch das rekonstruierte Krematorium I, in dem so viele Häftlinge vergast wurden.

Um den sehr emotionalen ersten Tag abzuschließen, versammelten wir uns gemeinsam am Abend zu einer Reflexionsrunde, in der wir unsere Eindrücke miteinander teilten. Hauptgesprächsthema war die Entblößung der Frauen nach der Befreiung, denn selbst heutzutage werden noch die dort entstandenen Bilder von komplett abgemagerten und entblößten Frauen ausgestellt. Muss das sein?

Den zweiten Tag begannen wir mit dem Besuch des Konzentrationslagers Monowitz (Auschwitz III), welches vom damaligen dortigen Industriegebiet finanziell unterstützt wurde. Die Insassen dort wurden unter schlechten Bedingungen als Arbeiter für Großunternehmen wie z.B. IG Farben ausgebeutet.

Eine bildliche Vorstellung dieses Konzentrationslagers war jedoch etwas schwer, da Monowitz zur Kriegszeit fast komplett zerstört wurde und mittlerweile teilweise sogar besiedelt ist.

Anschließend aßen wir zu Mittag und fuhren später zum größten deutschen Vernichtungslager Birkenau, das nur wenige Kilometer vom Stammlager Auschwitz entfernt liegt. Vorab schauten wir uns die „Judenrampe“ an. 

Die „Judenrampe“ war ein Güterbahnhof, an dem die überfüllten Züge ankamen und wo bereits erste Selektionen durchgeführt wurden. Im Vernichtungslager Birkenau bekamen wir zunächst von einem Aussichtsturm aus erste Einblicke/Überblicke vom Lager. Erst jetzt wurde uns klar, was für riesige Ausmaße dieses Vernichtungslager hatte, denn selbst von diesem Aussichtsturm konnten wir nicht einmal das komplette Lager überblicken.

Unser Guide führte uns durch die Baracken Birkenaus, in denen er uns die grausamen Umstände des Holocausts verdeutlichte. Besonders furchtbar ist die Tatsache, dass einige Frauen damals zu schwach waren, um sich auf den Plumpsklos (Latrinen) zu halten und daraufhin in diese hineingefallen sind. Niemand durfte und konnte diese Frauen vor dem Ertrinken retten.

Leider mussten wir feststellen, dass es immer wieder Menschen gibt, die meinen sich in den ehemaligen Kinderbaracken verewigen zu müssen, indem sie ihre Namen oder Liebesbeweise in die Wände ritzen.

Schließlich schauten wir uns noch die Krematorien II und III an, wo ebenfalls hunderttausende Häftlinge vernichtet wurden. Erschütternd ist, dass die Häftlinge nicht erahnten, was in den Krematorien auf sie zukommen würde.

Zum Abschluss des zweiten Tages trafen wir uns erneut zu einer Reflexionsrunde, um diese gigantischen Eindrücke zusammenzufassen. Die Reflexionsrunden halfen uns in erster Linie dabei, die vielen Eindrücke zu verarbeiten und sich auszutauschen.

Am Freitag teilten wir uns zunächst in zwei Gruppen auf und nahmen an zwei verschiedenen Workshops teil (Workshop I:„Täterfrage“ und Workshop II: Kunst-Ausstellung einer Holocaust-Überlebenden).

Daraufhin fuhren wir erneut nach Birkenau, wo wir uns dieses Mal zu den Krematorien IV und V begaben. Von diesen beiden Todesfabriken sind ebenfalls nur noch Ruinen erhalten geblieben, da die SS kurz vor Kriegsende Spuren vernichten wollte.

So sah das Krematorium IV vor der Sprengung durch die SS-Wachmannschaften aus
In der Mitte zu sehen: Frau Lidia Maksymowicz

Nach der Besichtigung hielten drei Schüler und ein Lehrer jeweils eine Rede, worauf eine Schweigeminute in Gedenken an die Opfer des Holocausts folgte. Dann bekam jeder von uns eine Rose, welche wir an einem beliebigen Ort um das Krematorium V platzieren durften. Dies war für uns persönlich der emotionalste Moment der ganzen Fahrt und wird uns sicherlich noch lange in Erinnerung bleiben.

Auf eine weitere Reflexionsrunde folgte eine einstündige Fahrt nach Krakau.

Dort angekommen, schauten wir uns kurz die Krakauer Innenstadt an und verbrachten den Abend in entspannter und geselliger Atmosphäre in einer Pizzeria. Eine willkommene Abwechslung zu den doch bedrückenden letzten drei Tagen.

Am letzten Tag wurde uns die Ehre erwiesen, mit einer Zeitzeugin zu sprechen. Lidia Maksymowicz, die ursprünglich aus einer aus Russland stammenden Partisanenfamilie kam, schilderte uns ihre grausamen Erlebnisse während des Holocausts. Sie wurde als dreijähriges Mädchen nach Auschwitz verschleppt, da sie aber keine Jüdin war, wurde sie nicht direkt in die Gaskammern geführt. Ihre Großeltern hingegen wurden in den Tod geschickt. Angst, Hunger, Terror, Dreck und unhygienische Verhältnisse waren an der Tagesordnung, berichtete Frau Maksymowicz. Sie wurde von ihrer Mutter getrennt und wuchs nach einjährigem Märtyrium bei Adoptiveltern auf. Ihre Erzählungen haben uns sehr berührt und gaben stellvertretend Einblicke in die Schicksale von so wahnsinnig vielen Opfern.

Nach mehrstündiger Freizeit machten wir uns mit der Straßenbahn auf den Weg zum Arbeitslager Plaszow und erhielten dort erneut eine Führung.

Bei einem Rundgang durch das Schindler-Museum, welches zwar sehr modern jedoch sehr hektisch und laut war, konnte man nur wenige Informationen mitnehmen. Neben der Geschichte Krakaus während des Zweiten Weltkriegs wurde hier auch die Geschichte von Oskar Schindler ausgestellt. Schindler, Mitglied der Nazi-Partei, rettete mehr als 1.200 Juden vor dem Holocaust, indem er vorgab, er benötigte bestimmte Juden für die Arbeit in seiner Rüstungsfabrik. Steven Spielberg hat ihm mit dem Film Schindler’s Liste ein Denkmal gesetzt.

Unseren letzten Abend verbrachten wir in einem jüdischen Restaurant mit Live-Musik. Nach diesem gelungenen Abschluss machten wir uns dann schon wieder auf den Heimweg Richtung Ratekau.

Abschließend halten wir fest, dass die bewegenden Eindrücke, die wir während der Fahrt nach Auschwitz gesammelt haben, nicht im Ansatz die Grausamkeiten widerspiegeln können, die dort vor rund 80 Jahren stattfanden. Nicht zu fassen, dass es immer noch Menschen gibt, die den Holocaust verleugnen.